Münchner G’schichten: Ein Fest gegen die BRD – Freizeit 81

München in den frühen 80gern: Ein Ort der Spekulation mit Wohnimmobilien, ein schickes und reiches Nest, an dem sich (Spieß-)Bürger jeglicher Art wohl fühlen. Ein Fleckchen der Stille, wo geht außer Kontrolle und Ordnungswahn. Einigen Leuten gefällt die Situation gar nicht und “während Züri brennt und München pennt”, lassen sie sich von den Häuserkämpfen und Revolten in Zürich inspirieren. Sie entschließen sich ihre Realität selbst zu verändern, sie wagen den Sprung vom Funktionieren im grauen Alltag, in das vielfältige Abenteuer, ins Leben und Kämpfen. Die Leute verbindet eine „Lebenseinstellung mit radikalster Verweigerung und zugleich unbedingter, aber auch hoffnungsloser Selbstverwirklichung“. So lassen sie die Gruppe „Freizeit 81“ entstehen. Am Anfang des Jahres 1981 gibt es erste unangemeldete Versammlungen und “U-Bahnfeste“, wo die Leute Bekanntschaft mit den Knüppeln der Bullen und „Schwarzen Sheriffs“(Ein Sicherheitsunternehmen, dass mit der MVG zusammen gearbeitet hat.) machen. Was als eine Idee von einem kleinem Kreis an Leuten entstand, wuchs heran zu einer Bewegung zu der sich in München an die 100 Menschen zählten und bekannten. Das was hier seinen Ursprung fasste, erschütterte schon sehr bald die ganze BRD. Die „Jugendrevolte“ begann. Freizeit 81 machte durch „Filmprogramme, Veranstaltungen, Demos, Konzerte, Flugblätter, Zeitungen, Sprühaktionen, Bankschlösser zukleben, Steine und Mollis“ auf sich aufmerksam. Unter dem Namen Freizeit 81 wurde ebenfalls eine Zeitschrift veröffentlicht, die dazu aufrief aktiv zu werden und eigene Aktionsformen zu finden. In ihrem Manifest schrieben sie: „Freizeit ’81 ist gewaltlos oder militant, legal oder illegal, ängstlich oder stark, auf jeden Fall: GEFÜHL UND HÄRTE! Freizeit ’81 ist Widerstand aus dem Bauch, eine unkontrollierte Reflexbewegung. Niemand kann mit jeder Aktion einverstanden sein, aber jeder sollte seine eigenen Sachen machen.“
Zu dieser Zeit gab es viele Scheinbesetzungen, einige nahmen an verschiedenen Kundgebung und Protestmärschen mit vielen Teilnehmer_innen teil. Sie starteten Aufrufe, die Polizei abzulenken, was ihnen auch gelang. Den Protestmärschen folgten viele unangemeldete Demos oder kleine Aktionen, meistens in Solidarität mit verhafteten Personen. Vor der uns auch noch heute bekannten Polizeibastion in der Ettstraße wurden die „frei“-gelassen herzlich empfangen und die Einsitzenden mit der Entschlossenheit und dem Kampfgeist der Menschenmenge auf verschiedene Art und Weise unterstützt. Das ehemalige Kreiswehrsatzamt wurde besetzt, die Eingänge wurden von ca. 150 Sympathisanten blockiert und somit war den Ordnungshütern der Zugang versperrt. Auf die Verhaftungen wegen Haus- und Landfriedensbruch reagieren die Leute mit Spontandemos, versuchen weitere Häuser zu besetzten usw. Kurz: Sie waren nicht bereit aufzugeben, zu resignieren.
Zur dieser Zeit finden mehrere Anschläge unter anderem auf verschiedene Banken, eine Hauptschule, ein Küchenstudio, die Polizeigewerkschaft und ein Büro der Lufthansa statt.

Bei keinem der Anschläge kamen Menschen zu Schaden, sie richteten sich konsequent gegen kapitalistische und herrschende Institutionen, Einrichtungen oder Gegenstände.

Bei dem Anschlag auf das Lufthansa Büro wurde ein Jugendlicher festgenommen und nach der Hausdurchsuchung auch ein Lokal auseinandergenommen. In Folge dessen machte eine Person umfassende Aussagen und so gab es 17 Durchsuchungen, 7 Personen wurden unter dem Verdacht eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben festgenommen und für ein paar Jahre verknackt. Der Kollaborateur, der möglicherweise ein Spion war (sich zumindest wie einer verhielt) trat als Kronzeuge gegen die Angeklagten auf. Die Zeitschrift „Freizeit 81“ kam noch ein paar mal raus, doch verlief mit der Zeit im Sand.

Die menschliche Geschichte ist zugleich die Geschichte der Herrschaft und der freiwilligen Knechtschaft. Aber nicht nur, solange es die Herrschaft gibt, gab es schon immer Aufbegehrende gegen diese. Ich finde es wichtig die Momente der Aneignung des eigenen Lebens festzuhalten, aus ihren Fehlern zu lernen und Ideen weiter zu entwickeln. Der Mut und die Entschlossenheit der Protagonisten von Freizeit 81 hat vielen was voraus, an den ausdrücken ihrer Kreativität und Solidarität lässt sich für das Heute sicherlich einiges Lernen.

Auch wenn ich allein schon Generation bedingt kein Teil der Freizeit 81 sein kann, so spucken und leben manche ihrer Ideen auch in meinem Kopf.


Auf dass die Flamme der Revolte niemals erstickt.