Glockenbachsuiten trotz Parteigründung!

Die Glockenbachsuiten haben in der Münchner Presse Landschaft, als das Aufwertungsprojekt der Stadt, einiges an Furore ausgelöst. Im Glockenbachviertel, wo die Mieten ohnehin schon immens hoch sind und sich ein Luxusprojekt an das Nächste reiht, sollte die plötzliche Aufregung eigentlich verwundert haben, aber bestimmt gibt es dort Anwohner, die einige gute (Presse-)Kontakte haben, die zu einem derartigen Aufrühren beigetragen haben. Stadtaufwertung, Verdrängung und Zwangsräumung sind aber nichts Neues, finden überall statt und kamen nicht erst mit den Glockenbachsuiten oder dem Seven. Der aufmerksame Beobachter wird hier die Heuchelei bemerken mit der die Medien diese ganze Thematik angehen: Es sind nicht nur die einzelnen Bauprojekte, die beschissen sind, sondern die kapitalistische Logik, die Systematik mit der die Stadt aufgeteilt, für Reiche Platz gemacht wird und Arme und Unerwünschte ausgeschlossen werden.

Die Glockenbachsuiten sind ein Projekt von Concept Bau, werden unter anderem von der Baufirma Ettengruber umgesetzt, und sind nun kurz vor der Fertigstellung. Sie sind verdammt teure Ferienwohnungen, die für Bonzen gedacht sind, die ein paar Tage oder Wochen im Jahr mal einen netten Blick auf die Isar genießen wollen. Die Isar ist in einer ausverkauften Stadt, wie München, der wahrscheinlich letzte große Raum, an dem man für seine Anwesenheit noch nicht zahlen muss.

Und nun, hört, hört: Die Glockenbachsuiten ragen nun hoch hinaus, spenden für die dahinter liegenden und angrenzenden Häuser endlich erholsamen Schatten und das obwohl aus dem Protest gegen sie, sogar eine neuen Partei – die HUT-Partei – gegründet wurde, welche offenbar nicht die Verhinderung dieses Projekts erreicht hat, da sie sich in das demokratische Spektakel eingereiht hat. Nicht nur die dritte Startbahn, die durch eine politische Hintertür, trotz Volksbegehren und Unterschriftensammlung nun wahrscheinlich doch ermöglicht wird, oder die zweite S-Bahnstammstrecke, die noch immer in Planung liegt, offenbaren die Lüge, die Untauglichkeit, die Wertlosigkeit der politischen, demokratischen Mittel zum Protest um die eigenen Bedürfnisse, Kritiken oder Wünsche zu realisieren, sondern nun auch die Glockenbachsuiten. Demokratie heißt eigentlich immer, dass das Wohl der vermeintlichen Mehrheit gegen den Willen der Wenigen durchgesetzt wird. DOCH was ist dieses Wohl? Es ist nichts anderes als der Profit durch Ausbeutung, die Ordnungserhaltung durch die Herrschaft gegen die Selbstorganisation und Selbstbestimmung, die Einsperrung und Kontrolle gegen das Spontane und Unkontrollierte, die Langeweile und der Konsum gegen das Leben und die Lust. Immer wieder versuchen Politiker uns diese „Weisheiten“ zu verkaufen, sie predigen uns die Aufopferung für die Wirtschaft („Gürtel enger schnallen“) in der Krise, die Aufopferung für den Staat, für das Gesetz, für die Gemeinschaft, das Gerechte und das Gute. Gut ist das, was nicht unerlaubt ist, was selbstlos, vorbestimmt und aufopferungsvoll ist.

Politiker sind Heuchler, nicht unbedingt aus Absicht, aber sie haben nicht einmal die Möglichkeit tatsächlich Grundlegendes zu verändern, sie üben sich nur im Verwalten, Schwadronieren, Inszenieren und im Perfektionieren oder Liberalisieren der Herrschaft. Aber ehrliche Menschen nehmen von dem, was man zum Leben und zur Selbstverwirklichung braucht, ohne die Politik zu bitten. So oft die Demokratie ihr Gesicht der Herrschaftsausübung immer wieder im besten Lichte präsentiert, so erschreckend ist das Vertrauen, das ihr die Wähler genannten Schafe entgegenbringen.

Eine Partei, und was hat es gebracht? Lediglich noch eine Partei.

Und was bleiben uns ohne die Politik für Möglichkeiten, etwas gegen Gentrifizierungs-Projekte wie die Glockenbachsuiten auszurichten? Die seit Jahren rund um jenes Projekt geklebten polemischen Sticker und die feindlichen gesprühten Parolen, deuten auf einen Weg hin, der fernab von Parteigründung und Integration in den demokratischen Zirkus, verläuft. Diese symbolischen Beispiele verdeutlichen, dass der Vandalismus die Art und Weise ist, durch welche man sich nicht nur artikulieren, sondern sich auch die Stadt zu eigen machen kann. Jegliches erdenkliche Mittel kann benutzt werden um sich auszudrücken, um dass kaputt zu machen, was einen selbst kaputt machen will und der aufpolierten Hausfassade zu beweisen, dass man kein mit gesenktem Blick vorbei kriechender Passant ist, der nichts bemerkt und alles toleriert. Auch wenn die Stadt mit aller Kraft händeringend versucht jegliche Parolen, jede Sprüherei mit „Inhalt“ schnellst möglich zu entfernen und zu überstreichen, zeigt uns ihre „Politik der Säuberung“ nur, wo die Stadt empfindlich wird – und zwar dort, wo Menschen eigene Wege wählen anstatt sich Form und Inhalt diktieren zu lassen. Der Vandalismus ist der Bereich in dem wir mit ein wenig Entschlossenheit und Kreativität alles realisieren und verändern können, wenn wir es nur wirklich wollen. Und eine gut platzierte Parole oder Farbbombe, ganz unabhängig von den erzielten Schadenssummen, zeigt uns tausendmal mehr Möglichkeiten auf, als eine neue Partei.