Münchner Freiheit?

München leuchtet, München glänzt und glitzert, München ist Weltstadt mit Herz, München ist vermögend, spießig und wunderschön. So jedenfalls der Ruf. Und um diesen Ruf zu bestätigen und attraktiv für Tourist_innen, Wirtschaft und Immobilienhändler_innen zu bleiben, tun Profiteure, Stadtverwaltung und Lokalpolitiker_innen alles in ihrer Macht stehende um ihm gerecht zu werden. Diese Inszenierung spielt sich nicht nur zwischen Events wie dem Oktoberfest, Einheitsfeierlichkeiten oder der Eröffnung von Museen ab, sondern hat auch etwas mit unserer direkten Nachbarschaft und deren Aufwertung zu tun. So zum Beispiel die vor kurzem abgesegnete Erlaubnis, dass Bayerns Gemeinden und Städte in Zukunft die Möglichkeit haben Alkoholkonsum an öffentlichen Plätzen zu verbieten, wie es am Orleansplatz in Haidhausen bereits geschehen ist. Um von vornherein ehrlich zu sein, überlassen wir die Loblieder auf Bier, Münchner Nachtleben und Drogenkonsum lieber gleich den ansässigen Lokalpatriot_innen und Schickimickis. Jedoch haben wir für nichts größeres Verständnis, als wenn sich Menschen in der Stadt, die sie bewohnen, zusammenfinden und sich den Raum nehmen, den sie benötigen um die Sachen zu tun, die sie eben gerade tun wollen. Ob das nun gerade Fußballspielen, Demonstrieren oder Bier trinken ist, macht für Stadtverwaltung und Polizist_innen keinen allzu großen Unterschied, denn wenn es ohne Erlaubnis und nicht an den vorhergesehenen Plätzen stattfindet, ist es verboten. Nach diesem Muster ist die ganze Architektur der Stadt ausgerichtet, denn für alles gibt es vorhergesehene Plätze an denen wir aber auch nur tun und lassen dürfen, was dafür vorhergesehen ist. Um Sport zu machen gehen wir ins Schwimmbad oder Fitnessstudio, an Bus- und U-Bahnhaltestellen sitzen wir um zu warten, um ein Bier zu trinken gehen wir in eine Kneipe, zum Tanzen in einen Club auf der “Feiermeile” in der Sonnenstraße oder in die Kulturfabrik und um etwas einzukaufen gehen wir in einen Laden oder Einkaufszentrum. Oder bist du jemals in ein Einkaufszentrum gegangen um etwas anderes zu tun als einzukaufen? Nein? Das ist auch gar nicht möglich, denn wenn wir dort Fußball spielen, demonstrieren oder Bier trinken wollen, werden wir augenblicklich wieder rausgeschmissen oder gezwungenermaßen der nächsten Polizeistation einen Besuch abstatten. Doch für welche Tätigkeit sind die Plätze und Straßen der Stadt vorhergesehen? Letztendlich nur um zügig von A nach B zu eilen, um zur Arbeit, Schule, U-Bahnstation oder den angelegenen Geschäften zu gelangen. (Klar, dass einem auf diesem Weg Bier trinkende Jugendliche ungelegen kommen.)

In diesem Verhältnis zu unserer direkten Umgebung sind wir alles andere als aktiv handelnde Menschen, die Einfluss auf ihre Umwelt haben und diese mitgestalten. Wie ein_e Konsument_in in einem Kaufhaus schreiten wir durch die Welt, als passiver, hilf – und machtlose_r Zuschauer_in, stets nur vorgegebenen Wegen folgend. Die einzige Wahl- und Handlungsmöglichkeit in diesem oberflächlichen Verhältnis ist die, zu entscheiden was wir konsumieren. In diesem Zustand der emotionslosen Bewunderung für all die spektakulären Events, Etiketten und Werbungen gefesselt, gerät uns eine wesentliche Frage jedoch viel zu oft aus den Augen: Sind all die Sachen, Konsumgüter, Straßen und Plätze, Events und Feierlichkeiten, vorgegebenen Wege und Möglichkeiten, Verbote und Einschränkungen nicht genauso Produkte menschlichen Schaffens?

Heißt das nicht, dass wir genauso die Möglichkeit und Fähigkeit haben, all diese Sachen zu verändern und ein aktives, selbstbestimmtes und freieres Verhältnis zu unserer Umwelt zu entwickeln?

Mit diesem Gedanken vor den Augen kann es uns gelingen, die Welt als großen Spielplatz zu betrachten, als Ort zum Ausprobieren von abertausenden Möglichkeiten, als Bild, dem wir unseren eigenen Pinselstrich verpassen oder als fade Suppe, der noch eine gehörige Prise Salz fehlt. Doch wenn wir erst einmal dabei sind, unsere Ideen zu realisieren und die vorgegebenen Möglichkeiten unterwandern oder umgehen, werden wir sehr schnell mit den Wachhunden, selbsterklärten Gendarmen und Ordnungshüter_innen der Geschäftsordnung Bekanntschaft machen. In diesem Fall verwandelt sich die Welt sehr schnell von einem abenteuerlichen Spielplatz zu einem Schauplatz von Auseinandersetzungen und Konfrontationen, die die einzige Sprache darstellen in der mensch die offene Ablehnung der nicht selbstgetroffenen Regeln und Verbote ausdrücken kann.

Doch um offen zu sein, haben wir bei dem Versuch uns Plätze und Straßen anzueignen nicht selten das Gefühl, dass wir uns zwar Freiräume erkämpfen können, die Architektur der Stadt und Wohnblocks aber schlicht dafür konstruiert ist, uns einzupferchen, zu isolieren und von unseren Mitmenschen zu trennen. Ihre Konzeption erinnert uns zu sehr an die Zellen und langen Korridore des Gefängnisses, als das wir das Viertel in dem wir leben “unser Viertel” nennen würden, die Straßen, die wir entlang laufen “verteidigen” wollen würden. Wenn der Raum in und auf dem wir leben erbaut wurde um uns zu kontrollieren und ein Abbild der Einsperrung ist, fühlen wir uns ihm nicht zugehörig.

Die Münchner Freiheit ähnelt keineswegs unserer Vorstellung von Freiheit, sondern wahrlich weitmehr der eines Knastdirektors. Denn auch im Knast kann mensch sich mit den Wärter_innen anlegen, einen längeren Hofgang erkämpfen, größere Zellen fordern oder in Isolationshaft verlegt werden.

Doch wenn das die Münchner Freiheit ist, kann unsere Freiheit nur auf den Trümmern eben dieser erwachsen.

Zeit den eigenen Käfig zu verwüsten!