Töte den Bullen in deinem Kopf!

Vor kurzem bittere Erfahrung gemacht: Eine Zeitung namens „Concrete“. Stinkt nach einer ekligen Mixtur aus städtischer Finanzierung, hippen Künstlern und Wunschträumen über grünen Kapitalismus und smarte Städte. Eine Abhandlung entwirft eine sogenannte Utopie – ein fantastisches in der Zukunft liegendes Bild. Beim ersten lesen Augenbrauen Runzeln – Ironie? – oder was soll der Scheiß? Beim zweiten Lesen ein Gefühl zwischen angsterfüllter Mulmigkeit, geballter Aggression und Kotzreiz.

Die Geschichte beginnt mit der Polizei: Sie kriegt viele neue bunte Uniformen, wird neu strukturiert und ihre Wachen ähneln schon bald schicken Loungen. Die Bullen werden total de-eskalativ, gewaltfrei und letztendlich gar die „heroes of our society“. Alle lieben sie und deswegen verraten und verpetzen sich alle gegenseitig um „die Probleme der Gesellschaft zu lösen“. Und dann werden alle Bullen – eine Bullengesellschaft, in der alle aufeinander „aufpassen“ anstatt einander zu bestrafen. Verbrechen gibt es nicht mehr, weil sie ohnehin zuvor verhindert werden, da ja jeder jeden kontrolliert. „Die Gesellschaft hat sich durch die Hilfe der Polizei selbst geheilt.“ Schnauf.

Man könnte viel über diese wenigen Zeilen sagen, und in der Tat ist das Gruselige, dass dieses Horrorszenario der perfektionierten sozialen Kontrolle, sich wirklich den Namen „Utopie“ gibt, und manche Leute soetwas wirklich herbeisehnen. Und der ganze Spuk somit vielleicht gar nicht so wirklichkeitsfern ist. Es ist nichts Neues, dass innerhalb autoritärer Kontrollstrukturen Sozial- und Polizeiarbeit oft verschmilzen, und so mancher liberale Wichser Knäste gerne abschaffen würde, um diese archaisch wirkende Sozialkontrolle durch Psychiatrien und Erziehungsheime zu ersetzen. Umerziehen und Pflegen hört sich ja auch schöner an als Bestrafen und Einsperren. Doch diese „Utopie“ geht noch weiter: Es geht um die absolute Abschaffung des einzelnen Polizisten durch die absolute Selbstüberwachung und Sozialkontrolle, durch selbstverständlichen Verrat und Selbst-Offenbarung. Es geht um die Verpflichtung zum Anpassen, um eine totalitäre Kontrolle, die letztendlich das Individuum abschafft.

Provokant gefragt: Wenn man ein Gesellschaftsmodell installieren will, was bedeutet es schon, ob man dieses mittels blutigem Terror oder unterschwelligen, sanften Terror – dem Zwang zur Anpassung und der permanenten Drohung des Verrats – durchzusetzen versucht? Worin unterscheidet sich letztendlich die massenhafte Vernichtung von Individuen, von der eigenen Vernichtung von Individualität auf massenhafter Ebene? Was ist der Unterschied zwischen dem Verbot etwas zu tun und der Zerstörung der Möglichkeit, die Handlung auszuführen?

Nur weil eine zentrale Befehlsinstanz abgeschafft wird; es nicht mehr eine Uniform, sondern viele bzw. gar keine mehr gibt, heißt das nicht, dass die Herrschaft über das Leben der Einzelnen an sich nicht mehr existiert. Sondern nur, dass eben diese Herrschaft schwerer zu greifen, verstreuter und überall ist. Denn je verinnerlichter eine Macht ist, desto stummer ist ihr Kommando. Je selbstverständlicher unser Gehorsam, desto gesicherter die Illusion von Freiheit. Je gesicherter die Illusion von Freiheit, desto selbstverständlicher, verinnerlichter, automatisierter ist unsere eigene Selbst-Unterdrückung.

Diejenigen, die zu sich selbst wie ein Polizist zum Verbrecher, wie ein Überwacher zum Überwachten sind, die schaffen die Polizei nicht ab, die verinnerlichen sie, sie tragen den Polizisten im Kopf und die Uniform unter der Haut. Diejenigen Menschen, die anderen gegenüber wie ein Polizist zum Verbrecher sind, die werden von jenen, die trotz alledem noch frei denken und handeln, wie ein Polizist behandelt werden – ob mit oder ohne Uniform.

Auch wenn diese Gesellschaft zur totalitären, abenteuerfeindlichen Bullengesellschaft wird, bleibt uns immer noch das Abenteuer diese Bullengesellschaft zu zerstören.