Justizzentrum unmöglich machen!

Es ist nicht zu übersehen: Das Gesetz, dieser uns aufgebürdete Haufen von Paragrafen und Pflichten, ist weit mehr als ein Theoriegebilde, an dem Juristen und Politiker von Zeit zu Zeit herumschreiben und -feilen. Denn da die Autoren dieser trübseligen und fantasielosen Pamphlete es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen und Vorteilen zu gestalten und zu regeln, bedarf es der notwendigen Schar fleißiger Helferlein: Polizisten, Richter, Gefängniswärter, Beamte, Soldaten, Ökonomen, Verwalter und Kontrolleure jeglicher Couleur und eine zu beherrschende Masse, die ihre tägliche Ausbeutung zumindest schweigsam erträgt. („Denn woanders ist es ja noch viel schlimmer…“)
Also ist das Gesetzbuch nicht nur ein von Moral, Sitten und Gebräuchen gerecht-fertigtes Heiliges Testament zum Schutz von Staat und Eigentum, dessen Gebote den feuchten Träumen der Mächtigen, Reichen und Pfaffen entsprungen zu sein scheinen, sondern der Grund und die angebliche Legitimation für das Fortbestehen eben dieses Staates und seinen ihm innewohnenden juristischen Systems. Um mich klar auszudrücken: Das Gesetz ist der Grund für die stetige Anhäufung von Institutionen, die uns an jeder Ecke dieser Stadt vor die Nase gepflanzt werden und deren Bewohner meinen uns zu kontrollieren, drohen, überprüfen, einsperren, überwachen und regieren zu müssen – um uns unmissverständlich die Unantastbarkeit unserer Würde vor Augen zu führen.
Dieses Netzwerk aus Institutionen, dessen Geburt wir der Erfindung des Staates, und dessen Grundlage, wir der Autorität verdanken, muss mit dem Lauf der Zeit Schritt halten und ist so stetig neuen Renovierungsarbeiten ausgesetzt. Diese Renovierungen und Restaurationen am letztendlich uralten Gebilde des Staates zielen immer auf eine Gewährleistung und Sicherung seines Fortbestands, auf eine Optimierung seiner Werkzeuge und Waffen und somit auf einen Ausbau seiner Herrschaft ab. So haben einige dienstleistende Beamte Münchens vor nicht allzu langer Zeit entschieden, dass das Straf- und Justizzentrum am Stiglmaierplatz einem neuen, riesigen und kolossalen Justizzentrum weichen muss. Diese neue Arbeitsstätte für Münchens Richter, Staatsanwälte und ihre 1300 Mitarbeiter soll alle in München ansässigen Gerichte unter ein Dach bringen und bis 2019 am Leonrodplatz erbaut sein. Neben dieser 234€ Millionen schweren Investition haben die Justizbüttel noch 8,5€ Millionen für eine weitere Grässlichkeit über: Verfahren aus dem Bereich Staatsschutz, organisierte Kriminalität und Terrorismus sollen ab 2015 in einem Hochsicherheitsgerichtssaal im Stadelheim-Knast abgehalten werden.
Der Grund: So können die Gefangenentransporte ins Gericht (und meist auch wieder zurück) vermieden werden. Darüber hinaus beherbergt der neue Hochsicherheitsgerichtssaal einen Glaskasten, in dem die Angeklagten gemäß modernsten Sicherheitsansprüchen gesperrt werden können. In diesem Kasten können sich die „Verbrecher“ dann gleich an ihr neues Zuhause gewöhnen – eine in Glas gegossene Vorverurteilung. Aber nicht doch! Vor dem Gesetz sind wir doch alle gleich – gleich wie ein Nummerncode, der jede Nuance der Individualität vernichtet, denn alle haben die Pflicht sich die Verbote und Regeln der Gesetzbücher zu Herzen zu nehmen und einzuverleiben. Wenn unsere Eigenheit sich nicht in dieses vorgefertigte Konzept quetschen lässt und wir uns erlauben auf die Erlaubnis von jemand anderem zu scheißen, dann sind wir Kriminelle oder Terroristen. Und theoretisch hat jeder einzelne in jedem Moment des Lebens die Möglichkeit eine solche Entscheidung zu fällen – was uns alle zu möglichen Kriminellen und Terroristen macht.
Jedoch weiß jeder der München kennt, dass Terroristen nur im Spektakel der Medien erscheinen und sich noch seltener als die Regierenden blicken lassen. Der Bau des Justizzentrums und des Hochsicherheitsgerichtssaal im Stadelheim zielt nur auf einen effektiveren, zentralisierteren und sichereren       Justiz-apparat ab, der darauf gewappnet ist schneller mehr Menschen  zu verurteilen und ins Gefängnis zu stecken. Ein Justizapparat, der auf Krisen vorbereitet ist, in denen die Armut und Kriminalität steigt und immer mehr Menschen auf die „schiefe Bahn“ geraten um sich über Wasser zu halten. Vorbereitet vor allem auch auf Momente in denen Menschen zusammenkommen, die erkannt haben, dass der wahre Terror vom Staat selbst ausgeht und die somit wissen und angreifen, was sie unterdrückt. Vorbereitet auf Zeiten in denen eine Brise der Revolte durch die Straßen dieses metropolitanen Molochs fegt…

Ein Knast im Knast
Die Charakterzüge dieser Bauvorhaben sind ein Abbild der Entwicklungen, die sich auf den Straßen dieser Asphaltwüste abspielen und ihre hinterhältige Fratze prägen: Es ist eine Umstrukturierung im Gange, die diejenigen, die mit weniger prall gefüllten Portemonnaies herumziehen verdrängt und vertreibt. Die Besitzlosen, die mit schlechtem Ruf und Ansehen, die mit wenig Kaufkraft und vielen „Auffälligkeiten“ werden in die bienenstockartigen Zellen der peripheren Wohnkatakomben gesperrt. Natürlich zeichnet sich dieser Trend nicht erst seit gestern ab und die Viertel für Arme sind längst errichtet. Die letzten Verbliebenen im Herzen der Bestie sehen sich mit Scharen von herbeiziehenden und ins Zentrum rückenden schicken Yuppies, reichen Bonzen und fleißigen Aufsteigern konfrontiert, die das Geld haben Mietpreise und Makler jenseits vom Erschwinglichen zu bezahlen. Das neue Klientel des Viertels hat natürlich auch neue Ansprüche: Schicke Boutiquen und Cafés, Sauberkeit und Ordnung und die Sicherheit, dass all das sich auch nach ihren Vorstellungen ent-wickelt. Wer oder was garantiert diese Sicherheit? Polizeipatrouillen, Kameras an jeder Ecke, private Sicherheitsdienste und eine Architektur, die einem deutlich macht, dass man hier nicht hingehört. So schießen in den zentralen Wohngegenden Luxuslofts, Edel-Appartments und „schöner wohnen” – Einfami-lienhäuschen aus dem Boden und da wo noch Platz ist, da wo noch ein ungenütztes grünes Fleckchen oder ein Ort ist, an dem man sich trifft und Zeit verbringt, rollen Baumaschinen an um riesige Betonklötze, tausende Büros, Banken, Versicherungen, Konsumtempel und prestigeträchtige Großprojekte hochzuziehen.
Währenddessen werden abgeschlossene Wohnkomplexe errichtet, die alles integrieren, was zum Überleben notwendig ist. Da, wo es dafür zu spät ist werden Einkaufszentren, Industrie- und Arbeitsstätten angesiedelt, so dass man um zu arbeiten, zu wohnen, zu konsumieren, sich zu amüsieren, zu bewegen und seine „Frei“-zeit zu verbringen nur noch die Haustür wechseln muss. Der Gefangenentransport erübrigt sich.
Jeder und alles bekommt seinen vorgesehenen Platz, jeder seine eigene Zelle. Unsere Plätze sind reserviert und so wird verhindert, dass wir im Angesicht des überschwänglichen Reich-tums und Luxus einiger weniger auf falsche Gedanken kommen. Die Stadtplaner versuchen unsere Ausbeutung und unseren sozialen Stand in Beton zu gießen. Doch in Wirklichkeit trennt uns nur eine Scheibe von dem, was wir zum Leben brauchen…

Bis zum nächsten Ausbeuter ist nur bis zur nächsten Ecke…
Der Gedanke sich in die Höhle des Löwen zu wagen und schlicht und einfach zu rauben und zu plündern, nach was es einem verlangt, wird den ein oder anderen geneigten Leser sicherlich unangenehm aufstoßen. Diejenigen anzugreifen, die für unser Elend, unsere Unterdrückung und Verdrängung verantwortlich sind, mag vielleicht sogar erschrecken und erzürnen. Dabei liegt es doch offensichtlich auf der Hand, dass wir unseres Lebens, unserer Selbstbestimmung beraubt werden und einem ständigen Angriff der Herrschenden ausgesetzt sind. Lasst ihr euch wirklich von der Farce täuschen, dass all das seine Ursache in politischen Fehlentscheidungen, gierigen Immobilienhaien und einzelnen Stadtentwicklungsprojekten findet und dass sich an diesen Entwicklungen mittels Reformen, Petitionen und neuen Bauprojekten rütteln lässt?
Warum schreckt ihr davor zurück die altbackenen und unterwürfigen Mittel des Protests, die Resignation und Passivität hinter euch zu lassen und selbstgewählte und mutige Wege des Aufbegehrens zu wählen?
Ist es die Angst?
Über uns schwebt immerzu ein Damoklesschwert, eine Drohung, die Erinnerung, dass unsere kümmerliche Freiheit immer auf Bewährung ist. Der Staat hat Abertausende Geiseln in seinen Fängen, die uns immerzu mahnen, dass wir ebenso schnell hinter Gitter landen können. Angesichts dieser Erpressung ist es natürlich einfacher in Ruhe gelassen werden zu wollen und sich mit nichts zu konfrontieren – mit gar nichts. Wir haben Angst vor dem Konflikt, dem In-Beziehung-Treten, dem Revoltieren gegen etwas Anderes, etwas Konkretes, Greifbares, Unmittelbares, gegen etwas Direktes. Gerade weil es möglich ist und diese Möglichkeit unbekanntes mit sich bringen könnte, haben wir Angst das Mögliche zu wagen.

Es ist möglich…
…sich Projekten der Herrschaft und Stadtumstrukturierung entgegenzustellen, sie anzugreifen und sie zu verhindern. So auch das geplante 38.000m² große Justizzentrum am Neuhauser Leonrodplatz und der dazugehörige Hochsicherheitssaal im Stadelheim. Zwar sind die Baustellen noch nicht errichtet, doch diejenigen Strukturen und Personen, die solcherlei Projekte ermöglichen sind oft nur einen Steinwurf entfernt.
Einem solchen Planer und Bauherrn von zig Hässlichkeiten – einem Department des staatlichen Bauamtes I in der Seeauerstr. Statteten vor wenigen Wochen eine oder mehrere Personen offensichtlich einen Besuch ab. Denn so fanden die Beamten dieses Amtes ihre Arbeitsstätte am nächsten Morgen sicht-lich verwüstet vor, da dutzende Fenster eingeworfen wurden. Das Staatliche Bauamt I ist für den Bau von Polizeistationen, Gefängnissen, Regierungsgebäuden, Gerichten und auch dem neuen Justizzentrum verantwortlich. Ich weiß nicht was der oder diejenigen, die im Schutz der Nacht diese Institution und Fabrik von Monstrositäten attackierten für Motivationen hatten. Ich habe jedenfalls unzählige Gründe mich über einen solchen Akt zu freuen und motivieren zu lassen, denn der oder die unbekannten Angreifer haben konkrete Möglichkeiten beispielhaft deutlich gemacht: Dass es möglich ist alleine oder gemeinsam einen der vielen Verantwortlichen des Justizzentrum anzugreifen und ihre Funktion und Existenz praktisch in Frage zu stellen – genau auf der Ebene auf der es uns beliebt. Und diese Möglichkeit haben auch wir, hier und heute. Es ist möglich dieses Monument der Unterdrückung und Erpressung zu verhindern, wenn wir den Mut haben unsere individuellen Fähigkeiten und Verlangen ernst zu nehmen und uns gemäß diesen mit anderen Individuen zusammen zu setzen, zu reden und zu diskutieren, über diesen Bau zu informieren und ihn zu kritisieren, gegen ihn in Konflikt zu treten und anzugreifen. Unabhängig von Politik und Kompromiss, ohne Formulare und Mitgliedsausweise, sondern zusammen mit denen, die diese Ziele teilen. Asymetrisch und dezentral, fantasievoll und vielfältig, individuell und kollektiv, bei Tag und bei Nacht, mit Worten und Taten, kläffend und beißend, ohne Maulkorb und Leine, das angeblich Undenkbare denkbar machend und das vermeintlich Unmögliche ermöglichen…

Habt den Mut destruktiv zu sein!

Gegen das Justizzentrum und die Welt die es möglich macht!

[Gefunden auf Justizzentrumverhindern.Noblogs.org]