Anti-Bettel-Battle?

Bettler und Diebe im reichen München

Obwohl bereits Monate seit der Errichtung der mittelalterlich anmutenden Bettlerverbannungszone verstrichen und demzufolge hunderte Bettler vorübergehend verhaftet wurden, konnten der Staat und dessen käufliche Bluthunde – Polizei & Presse – die sogenannte „Bettlermafia“ nicht aus der Stadt vertreiben. Die unübersehbare Präsenz von Armut und Elend auf den Straßen und die simple Tatsache, dass diejenigen, die von legalen, gut bezahlten und sicheren Jobs auf Grund ihrer Herkunft oder ihres sozialen Status’ ausgeschlossen sind, eben illegale, schlecht „bezahlte“ und unsichere Beschäftigungen ausüben müssen, soll mit allen Mitteln verschleiert werden. Denn was ist beispielsweise für die Millionen von Touristen, die gelegentlich zum Oktoberfest kommen und dort für eine Maß Bier Geldsummen zahlen, die für andere utopische Stundenlöhne wären, irritierender und erschreckender als beim Shoppen oder im Vollsuff über auf dem Boden kniende Bettler mit gesenktem Blick, gefalteten Händen und einem „Hunger“-Schild zu stolpern? Oder gar direkt angesprochen und verfolgt zu werden? Was ist für einen im Freudentaumel mit Scheinen um sich werfenden Investor schockierender als plötzlich auf die Personifikation des sozialen Verlierers am Existenzminimum zu stoßen?

Angeblich geht es den Bettelverbannern nur darum die hinter den einzelnen Bettlern stehenden straff  organisierten „Bettlerbanden“ das Handwerk zu legen und diejenige Bettler zu vertreiben, die aggressiv sind oder falsche Gebrechen vortäuschen. Doch sind hierarchische und straffe Organisation und das eigene in den Vordergrund Drängen, wenn nötig mittels der Vortäuschung falscher Tatsachen, nicht das A & O jeder Konkurrenzfähigkeit auf dem freien Markt? Und ist es etwa eine Neuigkeit, dass Leute um Arbeit betteln (die besonders verteufelten Arbeitsbettler gibt es nämlich auch!) und bereit sind, jegliches Angebot anzunehmen?
Das, was den Herrschenden missfällt, ist dass all das auf der Straße geschieht, ohne Formalitäten, Bürokratie, Steuern und Institutionen. Wenn jemand um Arbeit betteln will, dann bitte im Arbeitsamt. Wenn jemand mehr Geld erbetteln will, dann beim Arbeitgeber, beim Gewerkschaftsführer oder auf dem Wahlzettel. Und wenn jemand keine Arbeitserlaubnis und die dafür nötigen Papiere hat, hat er hier ohnehin nichts verloren. Und so lange diese Regeln öffentlich gebrochen werden, wird die Polizei weiter nach „fiesen Bettelabzockern“ fahnden und diese strafen, werden die Medien in angeekeltem Tonfall weiter über diese berichten, sie anprangern und die erbärmlichsten rassistischen Stereotype bedienen und ebenso lange wird die Bettlerverbannungszone ausgeweitet werden.

Währenddessen heucheln die Barmherzigen und Liberalen ein bisschen Mitleid und lassen, da es ja zur guten Art gehört, hin und wieder mal ein paar Krümel vom Tisch fallen und spenden ein paar Almosen zu Gunsten des guten Gewissens. Jene sind die gleichen, die Jahr für Jahr Rituale und Umzüge veranstalten, weil an besagtem gewissen Tag einst ein edler und gläubiger Ritter seinen roten Mantel entzwei teilte um einen armen Bettler vorm erfrieren zu retten – was für Menschen, denen Armut ein bisschen realitätsnaher ist, keine Heldentat, sondern eine unvermeidbare Selbstverständlichkeit ist. Die einen teilen, weil sie es sich leisten können, die anderen, weil sie es müssen.
Aber wehe, wenn der Arme seine Hände nicht mehr fromm faltet und statt auf Knien zu betteln seine Hand ohne zu fragen nach dem ausstreckt, was er verlangt oder ihn reizt… „Hand ab!“ oder wenigstens „Freiheit futsch“ ist die Konsequenz. Der drastische Anstieg von Einbrüchen im Raum München hat nicht nur etliche Polizeikampagnen und -operationen ins Rollen und einige Einbrecher hinter Gitter gebracht, sondern zeigt auch wie sich immer mehr Menschen der Wahl zwischen Arbeit und Armut verweigern und eine dritte, riskantere, aber dennoch für alle zugängliche Option wählen. Der Diebstahl, der Raub oder die Besetzung tasten die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse an und stellen die Herrschaft der Arbeit und die Logik der Ökonomie über unser Leben, die jeden Aspekt unseres Lebens beherrscht, in Frage. Was nicht heißt, dass sie dieser Logik entfliehen, denn wenn Klauen und Rauben zu einem Ersatz der Arbeit werden und nur die Anhäufungen von Geld und Waren zum Ziel haben, oder wenn Besetzungen legalisiert werden und sich im Nachhinein eine Erlaubnis oder einen Vertrag holen, sind sie allesamt auch nur Ausdruck des Zwangs unser Leben zum Überleben den Gesetzen des Duos aus Arbeit und Konsum unterzuordnen. Rebellisch und ein Bruch mit der Moral und Hierarchie dieser Fabrikgesellschaft ist der Diebstahl, wenn er eine unerlaubte Enteignung sein will, und nicht wenn er dazu gezwungen wird. Unser Leben ist nicht unser eigen und wir können es uns nur aneignen, indem wir ohne uns zu verkaufen und ohne den Anforderungen dieser uns fremden Welt gerecht zu werden das nehmen und tun, was wir verlangen. Und das heißt weder unser Leben zu erkaufen noch zu erbetteln, sondern es uns zurück zu rauben.